Wenn die Welt zu weltlich wird, ...

Das Narrenschiff
Das Narrenschiff, Hieronymus Bosch

Der Heilige ist ein Heilmittel, weil er ein Gegengift ist. Darum ist er wahrhaft oft ein Märtyrer, denn weil er ein Gegengift ist, hält man ihn für Gift. Meistens erneuert und heiligt er die Welt dadurch, daß er ganz besonders in sich verkörpert, was die Welt vernachlässigt hat, und das ist fraglos in jedem Zeitalter etwas Verschiedenes. Jede Gerneration sucht sich instinktiv ihren eigenen Heiligen, und der ist nicht so, wie die Menschen ihn sich wünschen, sondern vielmehr wie sie ihn brauchen. Das ist oft der mißverstandene Sinn jener Worte, die zu den ersten Heiligen gesprochen wurden: "Ihr seid das Salz der Erde!" Das Salz würzt und erhält das Fleisch nicht, weil es etwas ihm Ähnlich ist, sondern weil es grundverschieden von ihm ist. Christus lehrte seine Apostel nicht, sie seien nur das auserwählte Volk oder das allein auserwählte Volk, sondern er lehrte sie, daß sie das Ausnahmevolk seien, das sich nie mit anderen verbinden könne. Die Worte über das Salz der Erde sind wahrhaftig so scharf, so streng und herb wie der Geschmack des Salzes selbst. Eben weil die Apostel das Ausnahmevolk waren, durften sie ihre außerordentliche Eigenart nicht verlieren. "Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit soll man salzen?" Das ist nicht bloß eine Klage, sondern eine sehr deutliche Frage. Wenn die Welt zu weltlich wird, kann die Kirche sie zurechtweisen, aber wenn die Kirche zu weltlich wird, so hat die Welt kein Salz, um sie in ihrer Verweltlichung durchzuwürzen.

Gilbert Keith Chesterton: Thomas von Aquin

Das Narrenschiff, Hieronymus Bosch

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