Vom sanften in den harten Totalitarismus

Die Verfolgung
Die Verfolgung (Herbert von Reyl-Hanisch)

Der Totalitarismus in Deutschland ist im Wesentlichen noch ein sanfter. Keiner der mit polizeilicher und geheimdienstlicher Härte wie im „DDR“-Kommunismus durchgesetzt wird.

Mit diesem Totalitarismus wird versucht, die bisherigen Institutionen und Traditionen zu verdrängen mit dem Ziel, alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens unter Kontrolle zu bringen. Konservative, Christen und Andersdenkende werden gesellschaftlich ausgegrenzt. Durch die IT-Technologie wird ein Überwachungssystem ermöglicht.

Da es eine immer stärker werdende parlamentarische und außerparlamentarische Opposition gibt, die nicht mehr ohne weiteres durch die Herrschenden kontrollierbar ist, beginnt die Phase des Übergangs von einem sanften in einen harten Totalitarismus.

Die Regierung ist gerade dabei den Straftatbestand „Delegitimierung des Staates“ einzuführen. Das heißt nichts anderes als unter dem Deckmantel der Demokratie die Opposition zu bekämpfen und dem Geheimdienst die Mittel in die Hand zu geben um die Macht einer antidemokratischen Minderheit durchzusetzen. Selbst dem ZDF fiel das auf. Der Staatsrechtler Dietrich Murswiek spricht von einer Bedrohung der freiheitlichen Ordnung.

Daß diese Attacke auf Freiheit und Demokratie dem Strafunrecht der „DDR“ ähnelt, macht einen fassungslos. Noch fassungsloser macht das laute Schweigen der Öffentlichkeit – vor allem jener Menschenrechtsorganisation, deren Gründer und langjährige Aktiven, trotz Verfolgung durch die Stasi im Westen, jeglichem Totalitarismus kritisch gegenüberstand.

Zur Erinnerung: am 18. Mai 1990 wurde in der DDR, während der friedlichen Revolution der § 106 (staatsfeindliche Hetze) aufgehoben.

In der „DDR“ hieß Delegitimierung des Staates staatsfeindliche Hetze

§ 106. Staatsfeindliche Hetze.

(1) Wer die verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik angreift oder gegen sie aufwiegelt, indem er

  1. die gesellschaftlichen Verhältnisse, Repräsentanten oder andere Bürger der Deutschen Demokratischen Republik wegen deren staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeit diskriminiert;
  2. Schriften, Gegenstände oder Symbole zur Diskriminierung der gesellschaftlichen Verhältnisse, von Repräsentanten oder anderen Bürgern herstellt, einführt, verbreitet oder anbringt;
  3. die Freundschafts- und Bündnisbeziehungen der Deutschen Demokratischen Republik diskriminiert;
  4. Verbrechen gegen den Staat androht oder dazu auffordert, Widerstand gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der Deutschen Demokratischen Republik zu leisten;
  5. den Faschismus oder Militarismus verherrlicht oder Rassenhetze treibt, wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu acht Jahren bestraft.

(2) Wer zur Durchführung des Verbrechens mit Organisationen, Einrichtungen oder Personen zusammenwirkt, deren Tätigkeit gegen die Deutsche Demokratische Republik gerichtet ist oder das Verbrechen planmäßig durchführt, wird mit Freiheitsstrafe von zwei bis zu zehn Jahren bestraft.

(3) Vorbereitung und Versuch sind strafbar.

Sieht man sich die Argumente der Regierungsparteien, insbesondere von Faeser, Haldenwang und Paus für das „Demokratieförderungsgesetz“ an, so hat man den Eindruck, sie haben sich das Buch „Strafrecht der Deutschen Demokratischen Republik – Kommentar zum Strafrecht“ zur Hand genommen. 
Hier die entsprechende Kommentierung:

1. Der Tatbestand dient dem Schutz vor subversiven feindlichen Angriffen, mit denen vor allem über die Verbreitung antisozialistischer Anschauungen und Lebensweisen die verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung geschädigt bzw. gegen sie aufgewiegelt werden soll.

Der Tatbestand berücksichtigt die mannigfaltigen hinterhältigen Angriffsmethoden im Rahmen des ideologischen Kampfes des Imperialismus gegen den Sozialismus mit kriminellen Mitteln, z.B. Verleumdungen, Verächtlichmachen, Enstellungen, Beleidigungen, Gerüchtemacherei.

Die die feindliche ideologische Diversion hat die Erzeugung von Zersetzung, Unzufriedenheit, Unsicherheit und Verwirrung Ziel und soll beitragen, die Staats- und Gesellschaftsordnung in den sozialistischen Ländern zu unterminieren.
Mit dem Antikommunismus, Nationalismus, Rassismus und auch Faschismus sollen feindliche Ideologien und zersetzende Lebensauffassungen in die sozialistischen Staaten unter Ausnutzung aller modernen Propagandamittel infiltriert werden.
Der Tatbestand richtet sich gegen feindliche Handlungen, nicht aber gegen andere Auffassungen.

2. Angriffsobjekt sind die in Abs. 1 genannten verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung (vgl. Art.1 bis 18
Verfassung der DDR).

Das Verbrechen muß sich nicht auf die Gesamtheit der verfassungsmäßigen
Grundlagen richten. Es kann auch gegen Teilbereiche gerichtet sein.

3. Angreifen umfaßt jedes auf Grund einer feindlichen Position durchgeführte Vorgehen gegen die verfassungsmäßigen Grundlagen in den Begehungsweisen der Ziffern 1 bis 5.

Aufwiegeln ist jede Handlung, die darauf gerichtet ist, andere auf eine feindliche Position zu ziehen, sie gegen die verfassungsmäßigen Grundlagen zu beeinflussen, oder sie zu feindlichen Handlungen, Aktionen oder gezieltem passiven Verhalten zu veranlassen.

4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit setzt voraus, daß die Handlungen den in
Abs, 1. Ziff. 15 beschriebenen Merkmalen entsprechen und geeignet sind, die vom Täter beabsichtigten Wirkungen auch tatsächlich herbeizuführen. Die Wirkungen brauchen dabei nicht eingetreten zu sein.

Die objektive Eignung der Handlung, die verfassungsmäßigen Grundlagen der
sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung anzugreifen oder gegen sie aufzuwiegeln, ist kein zusätzliches Tatbestandsmerkmal, sondern den einzelnen Begehungsweisen der staatsfeindlichen Hetze immanent.

Die objektive Eignung ergibt sich aus dem Aussagegehalt der mündlichen, schriftlichen oder symbolischen Bekundung, der Art. und Weise der Tatbegehung, der Tatsituation und den sonstigen örtlichen und zeitlichen Bedingungen in ihrem Zusammenhang. Sie ergibt sich nicht allein aus einer Vielzahl von Handlungen. Das erfordert, daß keine
Handlung isoliert, unabhängig von der konkreten Lebenssituation, in der sie begangen wurde, und von der Persönlichkeit des Täters beurteilt wird.

5. Die geschützten Verhältnisse und die Begehungsweisen sind in Abs.1 in den Ziff. 1 bis 5 genannt.

Die Ziff. 1 schützt die gesellschaftlichen Verhältnisse in ihrer Gesamtheit und in
den einzelnen Bereichen, die Repräsentanten sowie andere Bürger, die staatlich oder gesellschaftlich engagiert sind.

Die Tat erfolgt durch Diskriminierung.

Diskriminieren ist die feindliche gezielte Herabwürdigung der im Gesetz genannten Verhältnisse und Personen. Es erfaßt jedoch nicht Tätlichkeiten im Sinne einer Gesundheitsschädigung oder körperlicher Mißhandlungen. Solche Angriffe sind beim Vorliegen einer entsprechenden staatsfeindlichen Zielstellung Terror ($ 102).

Ziffer  2 ist ein spezifischer Fall der Ziff. 1. Mit diesem Tatbestand wird eine ganz bestimmte Richtung und Methode der Diskriminierung ausdrücklich hervorgehoben.

Schriften sind alle Arten. von Druckerzeugnissen, vor allem Bücher, Zeitungen, Zeitschriften, Plakate, aber auch Transparente, Flugblätter, sowie alle anderen handschriftlich, mit Schreibmaschine, im Druckverfahren oder in anderer Weise hergestellten Aussagen.

Gegenstände sind insbesondere Filme, Magnetbandaufzeichnungen, Schallplatten, Abbildungen, Fotomontagen und dergleichen.

Symbole sind sinnbildliche Darstellungen aller Art, z. B. Fahnen, Abzeichen,
Embleme und Wappen.

Einführen umfaßt jede Form des Transports aus anderen Staaten oder Gebieten in das Territorium der DDR.

Herstellen beinhaltet alle Methoden der Produktion von Schriften, Gegenständen und Symbolen im Sinne des Tatbestands, insbesondere Drucken, Schreiben, Malen, Filmen, Fotografieren und dergleichen, einschließlich des Herstellens entsprechender Druckwalzen, Drucksätze und anderer beim Herstellen verwendeter Gegenstände, die den diskriminierenden Inhalt ebenfalls aufweisen.

Verbreiten ist das Zugänglichmachen an einen bestimmten oder unbestimmten Personenkreis unmittelbar durch den Täter oder in seinem Auftrag durch andere Personen. Verbreiten umfaßt die vielfältigsten Mittel und Methoden, z. B. das Verteilen, Auslegen, Übersenden, Ausstellen oder Vorführen.

Anbringen liegt vor, wenn Schriften, Gegenstände oder Symbole mit einem anderen Gegenstand verbunden und auf diese Weise anderen Personen zugänglich gemacht werden. Darunter fällt z. B. das Schreiben von Hetzlosungen an Mauern, Zäune, Brücken, auf Straßen oder Fahrzeugen sowie das Anheften bzw. Ankleben von Flugblättern an andere Gegenstände.

Freundschafts- und Bündnisbeziehungen nach Ziff.3 sind weiter gefaßt als
nach §108. Es werden sowohl die Freundschafts- und Bündnisbeziehungen der DDR zu Staaten als auch die Beziehungen zu nicht staatlich konstituierten fortschrittlichen
gesellschaftlichen Kräften, so z.B. zu kommunistischen und Arbeiterparteien, erfaßt.

Ziffer 4 erfaßt das Androhen von Verbrechen gegen die DDR und das Auffordern zum Widerstand sozialistische Staats- und gegen Gesellschaftsordnung.

Androhen eines Verbrechen gegen den Staat liegt vor, wenn Handlung den Merkmale eines Verbrechens gegen die Souveränität der DDR (Kapitel 1) oder eines der im 2. Kapitel beschriebenen Staatsverbrechen entspricht. Nicht erforderlich ist, daß der Täter die Androhung tatsächlich verwirklichen will oder daß ihr Empfänger sie tatsächlich als ernstgemeint auffaßt.  Der Tatbestand ist bereits dann verwirklicht, wenn der Täter will, daß seine Drohung so aufgefaßt wird, als wolle er sie verwirklichen. Schon damit kann er sein Ziel, anzugreifen bzw. aufzuwiegeln, erreichen.

Auffordern zum Widerstand gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung der DDR braucht nicht an eine bestimmte Person oder einen bestimmten Personenkreis gerichtet zu sein. Die Aufforderung kann auch in Form von
Schriften, Symbolen oder mündlichen Äußerungen für die Allgemeinheit bestimmt sein. Sie muß auch nicht auf das Begehen von Straftaten abzielen. Geschieht das, dann muß geprüft werden, ob der Täter damit einen weiteren Straftatbestand verwirklicht hat. Auffordern muß nicht mit Anstiftung identisch sein, da nicht vorausgesetzt wird, daß der Empfänger eine entsprechende Handlung begeht.

Ziffer 5 richtet sich gegen die Verherrlichung von Faschismus und Militarismus und Rassenhetze.

Verherrlichen liegt vor, wenn Faschismus oder Militarismus angepriesen bzw.
als anzustrebender Zustand dargestellt werden oder mündliche, schriftliche
bzw. in anderer Form erfolgende Äußerungen darauf gerichtet sind, faschistische (auch neofaschistische) oder militaristische Ideen, Ideologien, Praktiken oder Verbrechen zu glorifizieren oder zu propagieren. In diesem Charakter der Äußerungen liegt auch das objektive Abgrenzungskriterium zwischen Verherrlichen gemäß § 106 Abs.1 Ziff. 5
und Äußerungen faschistischen oder militaristischen Charakters gemäß Abs. 3.

Rassenhetze (vgl. § 92 Anm. 2) liegt dann vor, wenn damit zugleich die verfassungsmäßigen Grundlagen und der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung angegriffen werden. Ist das nicht gegeben, so ist § 220 Abs. 3 zu prüfen. Für den Fall der Beleidigung von Einzelpersonen wegen der Zugehörigkeit zu
einer anderen Rasse, ohne daß weitere Zielsetzungen gegeben sind, ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 140 zu prüfen.

6. Ein schwerer Fall gemäß Abs. 2 ist gegeben, wenn ein Zusammenwirken mit Organisationen, Einrichtungen oder Personen erfolgt, deren Tätigkeit gegen
die DDR gerichtet ist oder wenn Planmäßigkeit vorliegt. Soweit es sich um
Organisationen, Einrichtungen oder Personen gemäß Abs. 2 handelt, ist der
Tatbestand erfüllt, wenn diese Stellen dauernd oder zeitweilig, als Ganzes oder
in Teilen (z. B. bestimmte Abteilungen, Sektionen aber auch andere Personen)
eine Tätigkeit verrichten, die gegen die DDR gerichtet ist.

Planmäßige Durchführung liegt insbesondere vor, wenn der Täter Methoden
ausgewählt und angewandt hat, die deutlich ein systematisches und zielgerichtetes weiteres Vorgehen und das Erreichen einer der staatsfeindlichen Zielstellung entsprechenden Wirkung anstreben, wenn er systematisch auf einen
oder mehrere Bürger insbesondere unter Ausnutzung ihrer individuellen
Besonderheiten (persönliche Schwierigkeiten oder Charaktereigenschaften)
hetzerisch einwirkt. Planmäßiges Handeln liegt auch dann vor, wenn die Tat
konkret und umfassend vorausberechnet und vorbereitet wurde, daß sie objektiv geeignet war, auch mit einmaligem Handeln erhebliche staatsgefährdende Auswirkungen herbeizuführen, die über die von Abs. 1 hinausgehen.

Konkret vorausberechnete, auf gezielte weitere Vorgehen gerichtete und damit Planmäßigkeit begründende Methoden der Tatbegehung sind auch dann anzunehmen, wenn staatsfeindliche Hetze nach vorangegangener Bildung von Zusammenschlüssen in Form des einem konkreten Plan entspringenden koordinierten Vorgehens des Zusammenschlusses begangen wird.

Bei der Prüfung, ob planmäßige Hetze vorliegt, ist zu berücksichtigen, daß auch der Fall des Abs. 1 ein Staatsverbrechen darstellt, dessen Verwirklichung ein zielbewußtes Handeln des Täters und meist bestimmte Vorbereitungen voraussetzt.

Die mehrfache Tatbegehung ist bei planmäßiger staatsfeindlicher Hetze zwar
die Regel; sie ist aber nicht identisch mit Planmäßigkeit.

7. Strafrechtliche Verantwortlichkeit setzt Vorsatz voraus. Allen Begehungsweisen ist gemeinsam, daß der Täter aus einer staatsfeindlichen Position heraus mit seinem Handeln die verfassungsmäßigen Grundlagen der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung angreifen oder gegen sie aufwiegeln will. Der Motivationsprozeß, die Ziele, Einstellungen und die Stellung des Täters in und zu der sozialistischen
Gesellschaft haben im Zusammenhang mit seinem konkreten Handeln Bedeutung für den Nachweis der subjektiven staatsfeindlichen Tatbestandsvoraussetzungen. Im Falle des Abs. 2 muß der Täter das Zusammenwirken mit den genannten Stellen oder Personen wollen und wissen, daß sie eine gegen die DDR gerichtete Tätigkeit durchführen. Konkreter Kenntnis der Art der Tätigkeit bedarf es nicht.

8. Absatz 3 sieht strafrechtliche Verantwortlichkeit für Vorbereitung und
Versuch vor.

9. Gegenüber § 106 ist § 92 das speziellere Gesetz. Zu den §§ 140, 219, 220, 221,
9222, 223 ist § 106 spezieller. Die Abgrenzung zu diesen Normen ergibt sich aus
der staatsfeindlichen Zielstellung und der objektiven Tatschwere.

10. Zur Handlung durch Rauschtäter vgl. § 15 Anm. 6.

(Hervorhebungen im Original. Strafrecht der Deutschen Demokratischen Republik. Kommentar zum Strafgesetzbuch, Berlin 1981.

 

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